Samstag, November 12, 2005

"Mit der Axt im Walde"

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sprach mit dem SPIEGEL über die Gefahren großer Sparpakete, sinnvolle Steuererhöhungen und den Teufelskreis aus schwacher Binnennachfrage und hoher Arbeitslosigkeit. Bofinger wird immer mehr zum Lafontaine unter den Wirtschaftsweisen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

> Bofinger wird immer mehr zum Lafontaine unter den Wirtschaftsweisen.

Ich sage es einmal, wie es ist: von Wirtschaftspolitik hast Du keine Ahnung. Denn wenn Herr Bofinger der Lafontaine unter den Wirtschaftsweisen ist, dann hat Lafontaine zweifellos recht. Was ich bisweilen ernsthaft bezweifle, denn Bofinger, Bofinger hat zweifelos recht. Einerseits ist Bofinger der Beweis dafür, dass es abseits des neoliberalen Mainstreams auch andere, fachlich gut begründete Meinungen gibt, auch wenn die in der Minderheit geäußert werden. Und andererseits zeigt das "Gutachten" des sogn. Sachverständigenrates deutlich, welch Geistes Kind die Beteiligten im Rat sind, die nicht Bofinger heissen. Nicht nur, dass die seit Jahren, ja Jahrzehnten ständig wiederholten Forderungen ein weiteres Mal erhoben werden, obwohl sich die empfohlenen Maßnahmen immer und eindeutig als wirkungslos erwiesen, es fehlt inzwischen auch jeder Versuch diese Worthülsen quasi wissenschaftlich zu tarnen.
Ein Beispiel: die "Fachleute" präsentieren auf S.172 die Ergebnisse von acht internationalen Vergleichsstudien für Ländergruppen des OECD-Raumes. Sieben dieser Untersuchungen stellen fest, dass ein geringerer Koordinationsgrad von Tarifverhandlungen mit einer höheren, ein höherer Koordinierungsgrad mit einer niedrigeren Arbeitslosigkeit einher geht. Der Rat fasst das zusammen in dem Satz: "Der Koordinationsgrad bei den Lohnverhandlungen besitzt hingegen einen dämpfenden Einfluss auf die Höhe der Arbeitslosigkeit." Trotz dieser Erkennntnis postuliert die Mehrheit im Rat, mit Ausnahme von - genau - Peter Bofinger, im vorhandenen Tarifvertragsrecht ein Hemmnis für eine "beschäftigungsfreundliche Entwicklung der Arbeitsentgelte". Das ist exakt die immer wieder vorgetragene Forderung nach stärker dezentralisierter (sic!) Lohnfindung als angeblich taugliches Mittel zur Verbesserung der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation. Entgegen den, angesichts des obigen Zitats nicht einmal ansatzweise bezweifelten Ergebnissen internationaler Vergleiche, wird an der alten, nur ideologisch zu nennenden Ausrichtung festgehalten und damit jeder Anspruch auf Wissenschaftlichkeit des Papiers offen fallen gelassen. Das, mein Lieber, ist ein wahrer Offenbarungseid neoliberaler "Wirtschaftsfachleute". Und während Du hier den untauglichen Versuch unternimmst Lafontaine und Bofinger zu schmähen, wird eine Koalition etabliert, die eindeutig den falschen Prophenten folgt und deren politisches Scheitern an den Aufgaben so sicher ist, wie das Amen in der Kirche. Am Ende der Legislatur werden der Schuldenberg und die Arbeitslosigkeit höher sein als je zuvor. Und keine Frage: die Verantwortlichen für des vorhersehbare Desaster werden ihre Hände in Unschuld waschen und sich ungeachtet der Kette von Misserfolgen ein weiteres Mal als "Retter in der Not" andienen. Denkbar sogar, dass unser fleissiges Volk politischer Dummköpfe sie wieder wählen wird, falls man nicht noch primitiveren Demagogen auf den Leim geht. Besser wäre es aber zweifelos, der 1989er Revolution eine weitere, gründlichere und den Westen einschliessende folgen zu lassen.

Alexander Hartmann hat gesagt…

Es sind eben größtenteils nachfrageorientierte Konzepte.

Anonym hat gesagt…

> So vorschnell wie sz möchte ich kein Urteil über dich fällen.

Vorschnell? Das ist über längere Zeit beobachtet. Wann hat der Verfasser denn je eine wirtschaftspolitische Ansicht geäußert, die nicht als Nachplappern neoliberalen Mainstream Unfugs identifiziert werden kann? Im Prinzip wäre das entschuldbar damit, dass sich in guter Gesellschaft befindet. Schließlich "kaufen" unsere Politiker für teures Geld den Nonsense und setzen ihn leider sogar um. Da entsprechende Beiträge hier aber fast die einzigen sind, die nicht nur aus Zitat und Verweis auf andere Quellen bestehen, kann ich gelegentlich nicht umhin auf das Surrogat der Denkschablonen hin zu weisen.

Alexander Hartmann hat gesagt…

SZ:

Von Dir hören wir immer nur Phrasen à la "Dummes neoliberales Gewäsch", "keine wirtschaftspolitische Ahnung", "dreistes Nachgeplappere offensichtlichen Unsinns" etc. Noch nie habe ich von Dir gehört, was denn nun falsch daran sein soll, das strukturelle Defizit zumindest so weit in den Griff zu bekommen, dass der Staat wieder handlungsfähig ist! Stattdessen immer nur die alten Verteilorgien, als ob wir in der gegenwärtigen Situation ein Problem damit hätten, Überschüsse richtig zuzuweisen ...

@Ronny: Natürlich hört es sich richtig an, "Nachfragepolitik" zu machen, wenn "die Nachfrage lahmt". Die Frage ist nur, ob man bei dieser begriffsorientierte Entscheidung den Kern des Problems trifft.

Anonym hat gesagt…

Der Vorwurf mit den Phrasen fällt wohl voll auf Dich zurück. Diffamierungen von Lafontaine, Gysi, Bofinger und Co ersetzen m. E. keine Argumente, die bei Dir extrem rar sind. Kannst Du also gelegentlich auch inhaltlich etwas vortragen? Und das vor allem, bevor Du andere forderst? Was ist z. B. mit meinem obigen Vorwurf gegen die sogn. Wirtschaftsweisen, sie würden ideologisch motivierte Forderungen stellen, obwohl 7 von 8 internationalen Studien etwas anderes belegen? Richtig oder falsch? Es ist bezeichnend und ziemlich durchsichtig, hierzu zu schweigen und statt dessen Forderungen an andere zu stellen, deren Erfüllung Du selbst nicht leisten könntest.
Das Gutachten des sogn. Sachverständigenrates findet Du übrigens unter http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/download/gutachten/ga05_ges.pdf

"Strukturelles Defizit" ist nur ein neues Modewort. Tatsache ist: Deutschland als Ganzes ist nicht Schuldner sondern Gläubiger. Allerdings hat der Staas immense Schulden angehäuft, die man sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Es ändert an der Gläubigerposition Deutschlands als Ganzes aber nichts, wenn ein Sektor gegen andere Forderungen hat. Ist der Staat nun überschuldet? Dass zu entscheiden muss man den Schulden des Staates einmal dessen Vermögenwerte gegenüberstellen. Da sieht es anders aus, als uns Politik und Medien gern glauben machen wollen, denn bezogen auf das Vermögen ist die Verschuldung recht gering. Es ist zudem sicher unsinnig die Schulden mit den Einnahmen eines Fiskaljahres zu vergleichen. Ich z. B. habe mir vor etwa 15 Jahren ein Haus gekauft. Den Schulden in Höhe von zunächst ca. 5-6 Jahresgehältern stand und steht natürlich der Wert des Hauses gegenüber. Ich war bis auf Ausrüstungs- und verlorenen Verschönerungskosten, sowie durch Gebührenzahlungen eigentlich nicht weniger vermögend als vorher. Ergo sind bislang auch weder meine Bank noch ich sonderlich beunruhigt. Schließlich erfolgt die Finanzierung über 30 Jahre. Ich hoffe vorher damit durch zu sein und vielleicht kaufe ich mir auch noch eine Immobilie. Würde ich heute Kassensturz machen, so könnte ich vielleicht ein Liquiditätsproblem ausmachen, das kommt auf Grund unregelmäßiger Zahlungen leider gelegentlich vor und ich stehe immer noch mit weit mehr als 100% meines durchschnittlichen Jahreseinkommens bei der Bank in der Kreide. Aber überschuldet bin ich deswegen sicher nicht, denn meine Vermögenswerte reichen offenbar aus, den Schuldenstand jederzeit abzudecken. Beim Staat ist das nicht anders, auch wenn die Summe der Vermögenswerte vermutlich nicht so exakt bekannt ist, wie die der Schulden. Wobei ich Sorgen habe, dass die publizierten Zahlen mehr Propaganda als realitätsnah sind.

Es geht auch nicht um Verteilorgien. Den Begriff habe ich übrigens noch nie gehört, wenn man dem reicheren Teil der Gesellschaft ein ums andere Mal Steuererleichetrungen vorn und hinten reinschiebt. Es geht um die Frage, ob wir uns einen armen Staat leisten können. Die neoliberale Position läuft eindeutig auf eine Schwächung des Staates hinaus. Zugleich sind die Arbeitnehmer über Jahre nicht bzw. nicht angemessen am Produktivitätszuwachs beteiligt worden. Als Alternative steht nun nicht zur Debatte, dass der Staat mehr an die Bürger ausschüttet, sondern dass die Löhne kräftig steigen, dass der Staat seine Einnahmen nicht weiter senkt, sondern im Gegenteil kräftig steigert und aus den Mehreinnahmen wieder investiert. Es ist nicht sinnvoll jemandem, der monatlich 10.000 EUR und mehr zur freien Verfügung hat noch 1.000 EUR zu geben. Die gibt er nämlich nicht aus, während 90% aller Bürger gar nichts anders übrig bleibt, als 100% ihrer Einnahmen zu verkonsumieren. Gibt man denen monatlich 100 oder 200 EU mehr, beginnt der Laden zu brummen. Wir müssen schlicht aufhören unter unseren Verhälnissen und Möglichkeiten zu leben. Dann klappt's auch mit dem Konsum.

Nun lese ich in den Absichtserklärungen der künftigen Koalitionäre leider nichts davon, dass sie sich anders als für den bisherigen Weg, der voll auf Linie mit der Mehrheit der "Wirtschaftsfachleute" des Rates liegt, entscheiden. Die Prognose ist daher m. E. nicht gewagt, dass die Realität weiter steigender Arbeitslosigkeit, weiterer Wachtsumsschwäche und weiterer Staatsdefizite die künftige Kanzlerin, ihre Regierung, die sie stützenden Parteien und natürlich uns sehr schnell einholen wird. Du kannst dann das hier ja noch einmal nachlesen und ich erkläre Dir dann, warum das so kommen musste. Aber vermutlich pfeifen es dann die Spatzen von den Dächern. Einige Fehler müssen offenbar bis zur letzten Konsequenz gemacht werden, bevor man vielleicht beginnt aus Schaden klug zu werden.