Dienstag, Januar 03, 2006

Böser Traum

Heute nacht quälte mich ausnahmsweise mal nicht der Standard-Referendar-Alptraum, der am Freitag Nachmittag in einer Berliner Behörde spielt und in dem man einer Amtsperson innerhalb einer vorgegebenen, sehr kurzen Zeit eine bestimmte Information entlocken muss.

Der Traum meiner letzten Nacht war ein anderer. Er war fiktiv bis an die Grenze der Lächerlichkeit. Aber seht selbst, liebe Leser, seht selbst:
Ein mittelalter Herr mit grauen Schläfen, akkurat frisiert und von stattlicher Gestalt. Er steht in kleidsamen Bermuda-Shorts (Modell "Hawaii Business") vor einem großzügig geschnittenen Landhaus in Mittelamerika. Das Landhaus gehört seinem erfolgreichen Schwiegersohn, der die meiste Zeit im Jahr ohnehin nicht die Muße hat, ein solches Landhaus zu bewohnen und sich überdies viel lieber mit der Tochter unseres Herrn umgibt. Unser mittelalter Herr hat die Muße sehr wohl. Er genießt den dritten Caipirinha des Tages und lässt den Blick über die Armee mexikanischer Landarbeiter schweifen, die seinen Vorgarten auf deutsche Traummaße trimmen. Soweit die Szenerie.

Der mittelalte Herr schreitet nun von Zeit zu Zeit zum eigens angeschafften Personalcomputer im eigens eingerichteten Arbeitszimmer. Dort liest er deutsche Zeitungen und Magazine und durchforstet das Internet nach Texten, Bildern und Tönen, die mit seiner Tochter zu tun haben. Seine Tochter ist nämlich auch sehr erfolgreich und - unter anderem - davon lebt unser Mann. Er hat es also zu was gebracht.

Am Computer tut er das, was ihm sein mexikanischer Computerlehrer in gebrochenem Englisch beigebracht hat: Er surft zu Google, einer Suchmaschine. Dort wird das Internet zusammengefasst, dort weiß man, was wo steht. Dort gibt er den Namen seiner Tochter ein, den er - der vollumfänglichen Vermarktung willen - zur eingetragenen Marke gemacht hat. Auf diese Marke ist der Herr sehr stolz, er trägt die Urkunde über die Markeneintragung stets bei sich.

Ganz viele Seiten im Internet berichten über seine Tochter. Das freut unseren Herrn und er schlürft mit Wonne an seinem Cocktail, während er die Zahl der Suchergebnisse betrachtet. Allerdings wird dabei immer auch der Name der Tochter genannt. Andere freut, wenn sie im Internet erwähnt werden. Unser Herr freut sich aber nicht, erst recht nicht für seine Tochter. Wozu hat der Herr schließlich die Marke angemeldet! Sinn und Zweck der ganzen Sache war schließlich, dass er - als staatlich anerkannter Markeninhaber - einen gewissen Einfluss auf die Nennung dieses Namens haben soll. Wieviel Einfluss, ist ihm nicht ganz klar. Wenn es nach ihm ginge, natürlich den größtmöglichen Einfluss. Jeder soll fragen müssen, bevor er den Namen ausspricht oder gar schriftlich niederlegt. Sein Anwalt hatte ihm dazu auch ein paar Stichpunkte diktiert, die ihm allerdings nur noch in blasser Erinnerung waren.

Der Name der Tochter, nennen wir sie Susi Sorglos, dürfe zumindest nicht zur Bezeichnung einer Ware oder Dienstleistung verwandt werden und grundsätzlich nicht in der "Domain" eines Fremden vorkommen, hatte der Advokat gesagt. Was in Dreiteufelsnamen denn eine "Domain" sei, hatte unser Herr ungehalten zurückgefragt. Für 250 Euro die Stunde konnte er schließlich eine zielgruppengerechte Ansprache erwarten. "Naja," druckste der Anwalt, selbst nicht schwerpunktmäßig mit diesen komplizierten neuartigen Medien befasst, "das ist das, was eben im Internet Explorer ganz oben steht, bei ADRESSE!". Damit konnte unser Herr schon viel mehr anfangen. Nun konnte er sich auf die Pirsch begeben, nun hatte er klare Ansagen.

Unzählige Male schon hat er "Susi Sorglos" in das Eingabefeld seiner Lieblingssuchmaschine getippt, heute ist irgendetwas anders. Schon auf der ersten Ergebnisseite kommt ein Internetangebot vor, das er weder lizensiert noch sonstwie genehmigt hat. Da hatte also irgendsoein Schlawiner versucht, über seine Tochter zu berichten, ohne ihn zu fragen. Gut, der Anwalt hatte ihm erklärt, dass er einen einfachen Bericht nicht verhindern könnte. Auch nicht, wenn der Name erwähnt sei. Menschen tragen nun einmal Namen (und seien diese auch markenrechtlich geschützt).

Unser mittelalter Herr ist ein hektischer Mensch und will Klarheit. Er drückt die Kurzwahltaste, die ihn mit seinem deutschen Anwalt verbindet.

Anwalt, geweckt (im Folgenden Anw): "Ja?"
Unser mittelalter Herr (im Folgenden UmH): "Tag auch, Susi Sorglos (R)(TM) ihr Vater hier, Ihr Lieblingsmandant. Lassen Sie uns schnell zur Sache kommen, Überseegespräche sind teuer!"
Anw: "Sie müssen die Trademark-Zeichen am Telefon nicht mitsprechen."
UmH: "Wie dem auch sei. Da hat wieder so ein Bursche den Namen meiner Tochter benutzt."
Anw: "Sie wissen doch, dass man berichten darf, solange nicht ..."
UmH: "... jaja, ich weiß, solange nicht der Name in der Domain auftaucht."
Anw: "Naja, so grob stimmt das und für Ihre Zwecke reicht diese Durchdringungstiefe sicher aus."
UmH: "Ha. Der hier hat aber den Namen meiner Tochter in einem Bericht benutzt und der Name steht auch in der Domain."
Anw: "Sicher? Man irrt sich da leicht ..."
UmH: "Klar bin ich sicher. Der ist schließlich bei Google zu finden. Ich hab dem Burschen auch schon eine eMail geschrieben, damit ich keine Zeit verliere. Schließlich kenne ich mich in der Materie bereits aus und Ihre Stundensätze sind nicht ohne. Meine Tochter verdient mein Geld nicht im Schlaf!"
Anw: "Man muss da immer aufpassen, dass man nicht über das Ziel hinausschießt und Leuten Sachen verbieten will, die eigentlich ..."
UmH: "Verstehe schon. Sachen, die eigentlich verboten gehören."
Anw: "Nicht ganz."
UmH: "Gut, dann sage ich also, dass ich Rücksprache mit meinem Anwalt genommen habe."
Anw: "So kann man das eigentlich nicht ..."
UmH: "Denken Sie bitte an die Kosten, ein Überseetelefonat! Die Kosten!"
Anw: "Sie müssen wissen, was Sie ..."
UmH: "Ihnen auch! Und beste Grüße an die werte Gattin!"

Beruhigt und selbstsicher legt unser mittelalter Herr den elfenbeinverzierten Hörer auf die Gabel. Business ist so einfach, man muss nur wissen, wie es geht!
Soweit mein Traum. Ich hoffe, man kann die Ausführlichkeit verzeihen. Träume sind nun mal meistens ausgeschmückt. Außerdem natürlich auch manchmal wirklich lächerlich.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein herrlicher Traum! Und, mal ehrlich: In der Realität kaum vorstellbar, dass Jemand, mit solch geringen Kenntnissen der Materie, tatsächlich tätig würde, oder? Gar eine E-Mail schreiben... Unglaublich!
Andererseits: Traumhaft sicher sind die Grundfesten des Bloggens leider ebenso wenig, und uns bleibt nur die Hoffnung, dass sich mitdenkende Juristen mit dem Kasus auseinandersetzen...

;-)

Anonym hat gesagt…

Hach, einfach herrlich dieser Traum.
Den sollte man doch dem einen Papi da zuschicken, welcher sich gerade in diesem Dilemma befindet.