Dienstag, Februar 14, 2006

Tagesspiegel-Karikatur

Wie zu erwarten war, ist jetzt kein Karikaturist mehr sicher. Keine Karikatur (nicht einmal diese hier) ist zu eindeutig, um nicht von oberflächlichen Aufpeitschern umgedeutet zu werden. Der Tagesspiegel fleht um Gnade:
„Wir bedauern die iranischen Reaktionen auf diese Karikatur und können sie uns nur mit mangelnder Vertrautheit mit der innenpolitischen Debatte in Deutschland erklären. Der Zeichner, Klaus Stuttmann, hatte die Diskussion über einen Einsatz der Bundeswehr in den Stadien während der Fußball-WM thematisiert – den er ablehnt. Um ironisch-überspitzt die Unnötigkeit eines solchen Einsatzes zu verdeutlichen, sagt Stuttmann mit seinen zeichnerischen Mitteln: Die Bundeswehr müsse eingesetzt werden, weil die iranischen Fußballer bewaffnet oder als Selbstmordbomber antreten würden. Schon ein einziger Blick auf die Karikatur zeigt die ganze Absurdität. Selbstverständlich wollten weder Herr Stuttmann noch der Tagesspiegel die Integrität der iranischen Fußballer in Frage stellen. Schon aus der Tradition dieser, von jeher der Völkerverständigung verpflichteten Zeitung, wäre eine solche Unterstellung völlig undenkbar.“
Jedem muss klar sein, dass der eingeschlagene Weg, sich bei jeder missgedeuteten Karikatur zu entschuldigen bzw. zu missdeutende Karikaturen (das sind alle!) gleich der Schere im Kopf zum Opfer fallen zu lassen, falsch ist. Wenig sollte man sich auch von differenzierten Debatten um Grenzen und tiefere Bedeutung von Karikaturen und anderen freiheitlichen Äußerungen versprechen. Die Kritiker müssen erst einmal die elementarste Vorstellung davon bekommen, was eine freie Gesellschaft überhaupt für den Einzelnen bedeutet. Schon daran fehlt es, weshalb sich ein Eingehen auf einzelne Aspekte ähnlich sinnvoll darstellt wie eine Debatte über Farbnuancen mit einem Farbenblinden.

Gerüchten zufolge sollen bereits Drohungen gegen die Berichterstatter in Sachen "Irak-Entführungen" in der Welt sein. Man fordert, die ablehenende Berichterstattung sofort einzustellen, weil darin eine Ablehnung der Werte der Entführer zum Ausdruck komme. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dies auch hinsichtlich der Selbstmordattentäter geschehen wird, schließlich sind da sogar noch religiöse Motive im Spiel.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diesen Beitrag kann ich zu 100% unterschreiben.

Kaum zu glauben, dass Herr Hartmann in der Lage ist sich zu äußern, ohne beleidigend oder polemisch zu werden.

MfG
Holger Klein

Anonym hat gesagt…

mauern entstehen bekanntlich in köpfen. man sollte in seinen eigenen köpfen eher keine mauern hochkommen lassen.
sk

Q hat gesagt…

Na gut, wenn alle begeistert sind, will ich nicht zurückstehen. Obwohl die Karikatur wohl auch ohne "Iran" an den Hemden der linken Mannschaft das verdeutlicht hätte, was der Urheber dem Betrachter sagen will.

Im etwas krausen Satz

"Wenig sollte man sich auch von differenzierten Debatten um Grenzen und tiefere Bedeutung von Karikaturen und anderen freiheitlichen Äußerungen halten."

sollte man die Fehler beseitigen. Das "sich" ist garantiert über und "sollte" klingt etwas merkwürdig. "Man kann wenig von ... halten ..." wäre wohl richtiger, allerdings immer noch schwach (wer ist man?). Wenn der Verfasser von solcher Debatte wenig hält, durchaus verständlich, wo es den "Beleidigten" erkennbar an Grundkenntnissen über den Disput in freiheitlichen Gesellschaften fehlt, so soll er das doch sagen. Die Aufforderung an andere, es ihm gleich zu tun, ergibt sich dann praktisch von selbst.

Moe hat gesagt…

>Selbstverständlich wollten weder Herr Stuttmann noch der Tagesspiegel die Integrität der iranischen Fußballer in Frage stellen.

und deswegen wählt man also das timing dementsprechend aus, schreibt noch dick iran auf die shirts, und meint dann das habe man nicht kommen sehen? das kann ich nicht glauben. so doof kann der typ gar nicht sein. was jetzt nicht heisst er sei an irgendetwas schuld. aber diese opfer-nummer zieht einfach nicht bei einer gezielten provokation.